Die Türe des Busses öffnet sich und wir springen hinaus. Zuerst erfasst uns ein Klimaschock. Wir sind vom kühlen Bogota in einem noch kühleren Bus in ca. 5 Stunden in Aipe angekommen. Aipe ist ein kleines Kaff in der Huila Provinz. Direkt an der Durchgangsstrasse Bogota-Neiva gelegen. Bekannt für Öl, ab und zu sieht man Feuer, welches von den Ölbohrungen ausgeht. Das Kaff wirkt verschlafen und langweilig. Von der Hektik einer Millionenstadt sind wir in der tiefen Ruhe der Provinz angekommen. Hier scheint die Zeit still zu stehen. Die Menschen sitzen in Ihren Plastik-Schaukelstühlen vor Ihren Häusern und scheinen darauf zu warten, bis die Sonne wieder untergeht. Zeit hat jeder offenbar genug. Der Mittelpunkt des Dorfes ist die typische Plaza, um die Plaza stehen die Kirche, einige Amtshäuser sowie die Banken. Auf der Plaza träumen ältere Menschen vor sich hin. Ein jeder ist zum Schwatz willkommen. Anderen putzen eifrig die Schuhe und wieder andere verkaufen Ihre frischen Fruchtsäfte.
Wir laufen los. Wir verlassen das Dorf und kommen in eine grüne Graslandschaft. Es hat viel geregnet, der Weg ist schlammig und mühsam. Wir sind nun ganz allein. Ab und zu einige Kühe welche uns gleichgültig anschauen. Dazu einige rostige Zäune, welche wohl die Länder der verschiedenen Bauern abgrenzen. Wir kennen den Weg nicht, doch wir wissen, wir müssen immer gerade aus. Bis wir am Ufer des imposanten Rio Magdalena sind. Der Fluss, welcher sozusagen die Lebensader Kolumbiens ist. Er durchquert das ganze Land und fliesst schlussendlich bei Barranquilla ins Meer. Der Fluss entsteht hoch oben im sogenannten Macizo Colombiano. Weit oberhalb von San Agustin, aus der Laguna Magdalena heraus. Nach ca. 15 minütigem Fussmarsch durch Niemandsland erreichen wir den Fluss. Alles ist dicht bewachsen. Unter einem Baum wartet ein motorisiertes Kanu, dieses bringt einem für 3000 Peso auf die andere Seite des Flusses. Der Fahrer heisst Thomas. Er ist ruhig, seine Haut scheint wie Leder. Kein Wunder, es ist ca. 37 Grad warm. Die Sonne brennt brutal. Wir machen es uns auf dem Kanu bequem und erreichen die andere Seite. Die Überfahrt auf dem Rio Magdalena dauert weniger als 5 Minuten.
Auf der anderen Seite des Magdalena liegt Villavieja, eines der ältesten Dörfer der Huila Provinz. Wir haben eine ca. 2 stündige Abkürzung genommen. Denn es gibt keine Brücke. Ansonsten wären wir mit dem Bus nach Neiva gefahren, von dort weiter im Kleinbus nach Villavieja. Villavieja ist noch ruhiger als Aipe. Auch um einiges kleiner. Kurios ist der Hauptplatz, dort steht nämlich nicht wie gewohnt eine Simon Bolivar Statue in der Mitte, sondern eine Statue eines Dinosauriers. In der hier angrenzenden Tatacoa Wüste wurden viele Fossilien gefunden. Die Zeit scheint still zu stehen. Der Platz ist leer. Viele Leute arbeiten Tags über auf den Reis oder Baumwollfeldern, welche um das Dorf liegen. Wir beziehen unsere Unterkunft, welche sporadisch einfach ist. Ein historisches Haus, welches direkt am Platz steht. Hier hat schon der Libertador Simon Bolivar genächtigt auf seiner Reise nach Süden. Die Räume sind hoch. Oben dreht ein eifriger Ventilator seine Runden, zum Glück, bei dieser unerträglichen Hitze.
Wir gönnen uns zuerst mal das eine oder andere Poker Bier und warten, bis die Sonne etwas verschwindet. Nebenan finden wir ein Museum, welches die Geschichte von Villavieja erzählt. Daneben die alte Kapelle, welche von einer grösseren, eher hässlichen Kirche ersetzt wurde. Die Stimmung hier ist faszinierend. Ein jeder scheint den anderen zu kennen. Das Dorf ist wie praktisch alle kolumbianischen Dörfer aufgebaut. Eine Kirche, die Polizeistation, die Banco del Agrario, der Puesto de Salud. Dazu einige einfache Shops, welche Tische herausgestellt haben. Die lokale Bevölkerung trifft sich hier auf ein Bierchen nach getaner Abend. So lassen wir auch den Abend ausklingen, das Klima kühlt angenehm ab. Das Dorf besticht durch Ruhe. Hier soll es keine Verbrechen geben, der letzte Mord liegt Jahre zurück. Auch Diebstahl ist sogut wie nicht existent. Fremde (wie wir) fallen sofort auf.
Am nächsten Tag fahren wir um 6:30 Morgens mit einem Pick-Up zu unserem eigentlichen Ziel. Der Tatacoa Wüste. Eine äusserst interessante Landschaft erwartet uns. Um nicht zu sagen eine spektakuläre, einmalige Landschaft. Diese Gegend ist trotz der zentralen Lage innerhalb Kolumbiens noch relativ unbekannt. Der Anfang mach ein Stop bei einem Aussichtspunkt. Wir sehen die beiden Dörfer Aipe und Villavieja. Dazwischen den Magdalena Fluss. Interessant, obwohl beide Dörfer weniger als 1 KM auseinander liegen, weiss das eine Dorf praktisch nichts vom anderen. Nur der Magdalena Fluss trennt die Dörfer, trotzdem scheint es, als würden Welten dazwischen liegen. Dazu eine kleine Anekdote, warum keine Brücke gebaut wird. Früher führte die Zuglinie durch Villavieja. Von Neiva nach Villavieja weiter Richtung Norden, quer durch das Magdalena Tal. Die Einwohner wollten den durch die Zuglinie bedingten Wohlstand für sich, Aipe sollte nichts davon haben. Deshalb wurde die Brücke stets verneint von Villavieja. Heute sieht das ganze anders aus. In Aipe wird nach Öl gebohrt, die Zuglinie exisitert schon lange nicht mehr. Aipe ist fortschrittlicher und reicher. Heute verneint Aipe die Brücke an Villavieja. Ewige Rivalität verbindet die Dörfer.
Ob das so stimmt scheint dahin gestellt. Auf jeden Fall gäbe es in Aipe Diebstähle und Kriminalität. Durch die fehlende Brücke kämen diese Elemente wenigstens nicht nach Villavieja hinüber. Regiert wird Villavieja übrigens von einer knapp 30 jährigen Bürgermeisterin namens Tania Peñafiel. Eine Seltenheit in einer Männergesellschaft.
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Über eine Goldmine erreichen wir den ersten Teil der Wüste. Hier steht ein Observatorium, von welchem aus ein Blick in ferne Galaxien möglich ist. In der Nacht zeigt sich ein sensationeller Sternenhimmel. Der erste Teil der Wüste ist rötlich. Dies auf Grund der Materialien, welche im Boden enthalten sind (z.B. Eisen). Ein jedes Mal sieht die Wüste anders aus, erzählt uns unser Begleiter, welcher hier aufgewachsen ist. Dies auf Grund des Regens, welcher die Wüste auspült und auf Grund des Windes, welcher hier seine Bahnen zieht. In der Wüste selbst leben ein paar wenige Familien, welche ein äusserst bescheidenes Leben führen. Sie leben im Einklang mit der Natur. Sie sind Bauern, pflanzen Mais und Yuca. Dazu halten sie Ziegen und Kühe. Einige von Ihnen züchten Kampfhähne. Ein grosses (grausames) Spektakel, welches in der Region sehr populär ist. Am Sonntag gibt es in Villavieja Hahnenkampf, ein jeder kann wetten, der Aguardiente fliesst in Strömen. Ein gesellschaftlicher Event der praktisch nur von Männern besucht wird. Während der Woche ist das Leben hier hart und eintönig. Man lebt mit der Sonne, der Tag beginnt um 5:30 und endet um ca. 20 Uhr. Die Hitze ist brutal. Der Ausgleich finden die Menschen hier im Hahnenkampf, im Tejo Spiel und natürlich im Aguardiente, welcher in diesem heissen Klima in Strömen fliesst.
Wir besuchen das Haus der Reina del Desierto. Die Frau ist leider im letzten Jahr gestorben. Ich habe sie aber noch gekannt, von zahlreichen Besuchen davor. Sie lebte Ihr ganzes Leben in der Wüste. Alle Ihre Kinder und Grosskinder leben in den darum liegenden Höfen. Ihre Haut war wie Leder. Das Leben hier hat sie sichtlich gezeichnet. Trotz der grossen Hitze wurde sie über 90 Jahre alt. Die Landschaft scheint äusserst gesund für Seele und Körper. Der Wind und der Regen. Hier ist die Natur noch intakt. Mit all Ihrer Faszination. Ihr wurde der Namen La Reina del Desierto (die Wüstenkönigin) gegeben. Ein Name, welcher sie bis zu Ihrem Lebensabend stolz begleiten sollte.
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Wir unternehmen einige Fussmärsche durch diese Landschaft. Sensationelle Landschaften erwarten uns. Kakteen und Bäume, eine äusserst karge, trockene Vegetation. Einige Ziegen fressen den ohnehin schon kahlen Boden leer. Dazu von Zeit zu Zeit einige Bauernhöfe. Ruhe pur in dieser idyllischen Welt.
Die zweite Hälfte (Los Hoyos) der Wüste sieht anders aus, der Boden ist eher grau. Die Landschaft sieht eher grau aus:
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Hier findet man auch ein Schwimmbad, welche mit Grundwasser gefüllt wird. Benutzung kostet 3000 Pesos pro Person. Das Schwimmbad wird von einer lokalen Bauernfamilie betrieben, welche somit auch etwas vom Tourismus verdient. Eine äusserst erfrischende Abkühlung am Ende einer durch die Hitze nicht ganz einfachen Expedition.