Wir landen in Monteria. Hauptstadt der Viehbarone. Es ist heiss, um nicht zu sagen drückend heiss. Im Flugzeug sitzen auffallend viele Frauen mit üppigen Rundungen und ordentlich aufgetragener Schminke, sie werden wohl von den schwer reichen Viehbaronen erwartet, denke ich mir. Diese stehen auch schon da, mit Sombrero, einem weissen, offenen Hemd und einer knalligen Goldkette. Dazu die protzigen 4x4 Autos. Das ist die Welt um Monteria, einem von Touristen eher wenig besuchten Ort. Der Ruf von Monteria ist nach wie vor zweifelhaft. Ist hier doch die Hochburg der Selbstschutzarmeen, der sogenannten Paramilitärs. Gegründet von den mächtigen Viehzüchtern, um sich von der Guerilla zu schützen, die hier Schutzgeld eintrieb. Deshalb herrscht nach wie vor Gewalt hier, es gilt, etwas vorsichtig zu sein. Hier liegen riesige Ländereien von schwerreichen Farmern. Hier treffen viele Interessen aufeinander. Ein wichtiger Kanal von Medellin aus an die Karibikküste.
Unser erstes Ziel liegt 2 Stunden nördlich von Monteria. Ein einsamer Strand namens Playa Calao. Herrlich gelegen, der letzte Weg führt durch eine karge Graslandschaft, dann kommen wir bei der Cabaña an. Ein traumhafter Strand, einsam und verlassen. Ein Haus steht neben dem anderen. Die Besitzer der hiesigen Häuser stammen praktisch alle aus Medellin. Es sind reiche Paisa Leute, die hier vornehmlich Ihre Ferien verbrigen. Unser Köchin und Haushälterin wird uns vorgestellt, Jacqueline, eine dicke Mullatin die hier seit unzähligen Jahren lebt. Das Essen ist dann auch köstlich, frischer Fisch mit „Arroz de Coco“, Camarones mit Reis und Patacon oder Ceviche. Jeden Tag gibt es Meeresfrüchte.
Am nächsten Tag machen wir uns auf zu unserem ersten Ziel, die Stadt Lorica. Ein typische Stadt der Region mit einigen schönen Häusern aus der Kolonialzeit. Arabische Einflüsse sind hier vorhanden, vor allem bei der altehrwürdigen Markthalle. Gigantische Säulen, welche direkt am Rio Sinu stehen. Auf dem Markt gibt es Früchte und sonstige Lebensmittel. Die Essenstände sind spartanisch einfach, das Essen dafür umso köstlicher. Frischer Fisch. Die Frau, welche uns bedient ist sehr zurückhaltend, ich merke, hierher verirren sich ganz wenige Ausländer. Sie reagiert etwas irritiert, doch sehr freundlich. Wir besichtigen dazu noch ein herrliches, typisches Haus der Kolonialzeit. Hohe Räume, bunte Mauern. Man muss ich majestätisch fühlen, wenn man hier wohnen kann. Nicht so eine sterile Wohnung wie in den Städten.
Am Nachmittag besuchen wir die Cienaga de Baño. Eine Sumpflandschaft hinter Lorica. Unser Führer heisst „El Negro“. Er begrüsst uns, er steht da, am Rande des Flusses. Einfach, als lasse er sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Der Boden ist ausgenommen schlammig, es hat viel geregnet hier (die Reise war im November 2010, vor allem die Küste Kolumbiens wurde von tagelangen Regenschauern geplagt). Er zieht an einer Zigarette und mustert uns. Er ist der hiesige „Patron“, lebt seit 60 Jahren hier. Seine Familie ist riesig, er hat über 10 Kinder. 2 von Ihnen begleiten uns auf dem Kanu. Doch zuerst überqueren wir den Fluss per Fähre. Eine äusserst skurille Konstruktion, die Fähre wird an einem Seil angebunden, dann wird sie in die Mitte des Flosses gestossen, die Strömung dient als Motor und da der Fluss zieht, geht es sehr schnell, bis wir am anderen Ufer angekommen sind. Als erstes sehen wir einige grüne Leguane, die zwischen den Hühnern versteckt liegen. Die Besichtigung der Cienaga dauert einige Stunden und wir sehen eine bezaubernde Flora und Fauna, sogar einige Brüllaffen toben an den Bäumen herum.
Die zweite Nacht in der Cabaña erwartet uns. Es regnet wieder, das Strohdach schützt aber. Der Wind peitscht an den Türen vorbei. Doch ich liebe es, so zu schlafen, irgendwo in der Einsamkeit. Man hat die schönsten Träume.
Am nächsten Tag besuchen wir San Antero. Ein Kaff unweit des Strandes. Das erste Ziel ist eine Krokodilfarm. Nelson erwartet uns und führt uns durch die verschiedenen Aufzuchtsbecken. Unzählige Krokodile liegen übereinander, alle komplett still, sie bewegen sich kaum. Die Krokodile verbringen hier lediglich die ersten Monate, so lange bis sie genug gross sind. Das Bild ist gigantisch wenn auch furchteinflössend. Hunderte von Krokodilen die hier darauf warten in die Freiheit entlassen zu werden. Der Gestank ist bestialisch.
Danach geht es per Boot weiter durch die endlosen Mangroven. Von hier starten die Drogenschmuggler im Schutze der Nacht die lange Überfahrt nach Mittelamerika. Die Vegetation ist einzigartig. Wir stoppen bei einem eigenartigen Restaurant. Ein schwimmendes Haus, weit draussen auf dem offenen Meer. Es gibt hier Bier und Fisch, ein einfacher Halt für die Fischer. Wir geniessen diese für uns einzigartige Stimmung, weit draussen auf dem Meer sitzen in bei einem spartanisch einfachen Restaurant bei einem Bierchen. Aus den Boxen dröhnt Vallenato Musik. Am Nachmittag besuchen wir die Playa Blanca von San Antero. Ein typischer Strand mit unzähligen Restaurants, welche heute aber leer sind. Einige Sommerfrischler aus Medellin drücken den Lärmpegel nach oben. Wir geniessen den Nachmittag.
Am nächsten Tag geht es früh am morgen los nach Tolu, ein Badeort, einmal mehr hauptsächlich von Reisenden aus Medellin besucht. Dort besteigen wir ein Boot, welches uns zur Isla Tintipan hinaus bringt. Eine einsame Insel des San Bernardo Archipel. Gelegen im Golf von Morrosquillo. Hier beginnt der wohl faszinierendste Teil unserer Reise. Die Überfahrt macht uns klatschnass, die See ist stürmisch. Nach ca. 1 Stunde legen wir an. Carlos, unser Gastgeber, emfpängt uns euphorisch. Hier beginnt der wohl aufregendste Teil unserer Reise.
Meiner Meinung nach ein absoluter Geheimtipp. Ein frisch verliebtes Paar entschliesst sich vor 27 Jahren der Zivilisation den Rücken zu kehren und die Einsamkeit zu suchen. Er ist aus Uruguay, sie aus Bogota. Kennen gelernt haben sie sich in Cartagena. Sie kamen auf die Insel, um sich ihr eigenes Paradies zu konstruieren. Sie kauften sich ein Stück Land von den „Isleños“. Sie begannen, ein einfaches Haus zu erbauen. Mit Strohdach, das Meer fliesst bei unruhigem Wasser bis ins Zimmer rein. Näher dran geht gar nicht.
Dazu eine einsame Cabaña, welche auf Stelzen über dem Meer liegt, dazu ein Kiosk wo das leckere Essen zubereitet wird und Bier und sonstige Getränke verkauft werden. Das Gelände wird von den Mangroven auf der einen Seite und vom Meer auf der anderen Seite begrenzt. Ca. 50 auf 50 Meter, grösser ist es nicht. Strom wird durch ein Generator erzeugt. Idylle Pur, einer der faszinierendsten Plätze, die ich in Kolumbien kenne. Dazu eine herrliche Anekdote. Ein verliebtes Paar sucht den Frieden und das Glück und findet es auf einer einsamen Insel wieder. Ihre ganze Liebe fliesst in die Gastfreundschaft, welche ich so noch nie erlebt habe. Kein Komfort, kein Luxus, doch eine Gastfreundschaft, welche jedes Luxushotel bei weitem übertrifft. Wir sitzen da, staunen und hören die Geschichten von den Zweien. Bis spät am Abend. Ich werde die zwei nie vergessen, Carolina und Carlos, sie haben Ihr Glück hier gefunden und werden wohl nie mehr von hier weggehen. Sie haben schon alles erlebt. Drogenschmuggler, welche am Morgen früh auf ein Riff aufliefen und bei Ihnen strandeten um nach Benzin zu fragen, die Armee, welche wenige Stunden später vorbei schaute um die Schmuggler zu verhaften.
Oder Salvatoro Mancuso, ein ausgelieferter Chef der Paramilitärs, welcher sich kurzerhand die Nachbarinsel erwarb und ab und zu bei Ihnen vorbei schaute.
Am nächsten Morgen bringt uns ein Boot nach Rincon del Mar. Ein Fischdorf, welches wieder auf Festland gelegen ist. Nicht aber ohne vorher noch bei „Santa Cruz del Islote“ vorbei zu fahren:
Die am dicht besiedelste Insel der Welt. Man schaue das Foto an und staune. Nachbarschaft kriegt hier eine andere Bedeutung.
Von San Onofre bringt uns der Bus dann in 2 Stunden nach Cartagena. Dort erwartet uns der alljährliche Karneval. Der unbekannte teil der Karibikküste liegt somit hinter uns.
FAZIT: Karibikküste ist weit mehr als Santa Marta und Cartagena. Es gibt noch so viel unentdecktes hier. Die Stimmung ist laut und fröhlich, so wie es sich für Küstenbewohner gehört.
Hotel auf der Isla Tintipan:
Und wenn Ihr bei Carlos und Carolina vorbei schaut, sagt ihnen einen herzlichen Gruss. Ich hoffe, dort irgendwann mal wieder zu stranden. Dermassen liebe und herzliche Menschen gibt es leider immer seltener.