Das Jahr 2022 war sehr interessant für uns. Im März konnten wir nach 3 Jahren wieder nach Kolumbien einreisen. Für 5 Wochen zwischen Februar und März waren wir bei den Eltern meiner Frau untergebracht.
Das ist das dritte mal, dass ich für ca einen Monat in Kolumbien war - einmal als wir geheiratet haben - haben wir ein AirBnB nahe der Arbeit meiner Frau genommen, weil sonst nach 8h Arbeit und 4h TransMilenio nicht mehr viel Zeit für uns geblieben wäre. Um nicht meinen ganzen Jahresurlaub zu verbraten nehm ich dann meist 2-3 Wochen Urlaub + 2-3 Wochen remote Arbeit. Für die Zeit hätte ich gerne wieder eine eigene Wohnung gemietet und ein ruhiges Arbeitszimmer gehabt, aber nach 3 Jahren ohne Familie war es nicht drin woanders zu übernachten - da hätten sich wohl alle beleidigt gefühlt.
Wir gehen durch den Flugcheck in Berlin am BER - oh, wir haben vergessen den Check-Mig auszufüllen. Hatten wir erstmal Panik, aber wahr nicht schlimm, konnten wir noch am Handy ausfüllen und dann vorzeigen. Wir hatten auch eine Nacht noch in den Niederlanden vor uns, bevor es nach Bogota weiter gehen sollte. Weiterflug alles entspannt, ankommen am Flughafen in Bogota, massive Überforderung bei der Registrierung. Haben ca. 2 Stunden gewartet um da durchgewunken zu werden, aber gab paar nette Leute in der Schlange zum quatschen. Mich überrascht immer, das so ca 30% Touristen aus Polen die in den Amazonas und wandern wollen dabei sind. Die Deutschen und Schweizer wollen meistens nach Cartagena oder iwelche Inseln weiter.
Ok, sind wir endlich frei, dann die Frage wie kommen wir nach Hause. Ich bin immer für TransMilenio, aktzeptabler Service, und macht den Stau nicht schlimmer. Aber mein Schwiegervater hat gesagt, ruft an und ich hohl euch ab. Ok. Kein Wifi am Flughafen, wir haben keine SIM Karte. Wir fragen ein junges Päarchen, ob wir mal mit ihrem Telefon wen anrufen könne - ok, Papa hohlt uns ab vom Flughafen an Ausgang 29 oder so. Wir warten wieder 90 Minuten und dann kommt er endlich. Er ist eigentlich im Ruhestand, weil er von seinen Mieteinnahmen lebt, hat sich 2021 aber ein Taxi gekauft, weil ihm sonst langweilig ist, und er nicht schlafen kann, wenn er den ganzen Tag nur am Handy wischt. So kann er 50% am Taxi rumschrauben und glauben, dass er etwas verbessert und 50% Leute rumkutschieren. Dieses Taxi sollte ich noch lieben lernen...
Meine Frau ist ganz schokiert, dass ihr Papa ordentlich abgenommen hat. Er musste zum Glück der Familie aufgehört täglich zu saufen, der Arzt hatte es ihm schon lange verboten, aber körperlich meinte er hat er es jetzt auch eingesehen, dass es ihm so weniger schlecht geht, mit Alkohl gings ihm dann die Tage danach körperlich nicht mehr gut. Auch sein Patriarch und Matscho sein ist ein bisschen altersmilder geworden zur positiven Überraschung meiner Frau.
Im Barrio meiner Frau hat sich nicht viel verändert und irgendwie doch. Die Nachbarn und Geschäfte sind die gleichen. Etwas mehr Menschen schlafen auf der Straße. Ein weiteres Hobby meines Schwiegervaters, mit den Leuten, die 1-2x im Monat jetzt eine Matzatze vor das Haus ziehen und da schlafen wollen streiten, die Polizei rufen, warten das sie vielleicht kommt und hilft die Leute da weg zu drangsalieren. Ewiges Katz-und-Maus Spiel, aber so erst seit der Corona Pandemie. Eine weiter Veränderung seit der Pandemie, alle haben sich einen Hund angelegt, und es sind mehr Hundehaufen im Barrio.
Dann sind wir am Termine organisieren, wann hat welcher Freund/Verwandte Zeit sich zu treffen, dafür sind die 4-5 Wochen schon immer knapp. Zwei Tage machen wir Tagesausflüge nach Chia und Zipaquira, sollte eigentlich Guatabita werden, wahr aber dann doch keine Zeit. Familie in Chinquinquira und Tunja muss ja auch noch besucht werden. In Tunja hohl ich mir in 30 Minuten draußen im Tshirt sofort nen saftigen Sonnenbrand, so krasses Klima da.
Der große Nachteil so viele Leute in wenig Zeit zu besuchen ist für mich immer die Gasfreundlichkeit: "Komm wir haben gekocht, nimm doch einen Teller". Da beide Familienteile Boyacence sind gibts immer mega viel Kartoffeln, meistens mit Reis und Huhn oder Rind. Die riesigen Kartoffelmenge sättigen eigentlich schon für zwei Tage - mir sind die vor allem etwas trocken, da fehlt einfach die Butter, aber im Haus hat nie jemand Butter da weil ungesund und teuer. Das schlimmste ist, wenn wir dann zwei Onkel und Tanten besuchen und wir zwei solche Teller am Tag aufessen sollen, und dazu noch immer mindestens ein Bier. Lustigerweise sind Kartoffeln und Eier gerade viel teurer geworden zu der Zeit und alles haben sich drüber beschwert, aber was anderes Essen wollte auch keiner - "dass dann doch kein Mittag ohne Kartoffel".
Uff, und das härteste Essen gab es bei der Oma. Fünf riesige Kartoffeln, Reis und eine Kuhwange. Vorher hab ich noch nie gekochtes Gesichtsfleisch gegessen, und ich hoffe ich muss es nicht mehr. Ich hatte Glück ein Stück mit vielen Lamellen zu bekommen. Mit jedem Stück wurde mir immer ein bisschen schlecht auf der zähen geleeartigen Wange rumzukauen - die Hälfte hab ich runterbekommen, meine Frau hat mir etwas geholfen, aber das war der einzige Besuch, wo wir beide den Teller nicht leer geschaft haben.
Macht auf jedenfall immer Spaß aber in der Großfamilie zu sein. Ich komme ursprünglich aus dem ländlichen Norddeutschland, da reden die Leute so viel im Jahr miteinander wie die Kolumbianer an einem Tag Von den ca 50 Cousins gibt es auch schon 10 Kinder, im Vergleich zu meiner Familie mit 10 Cousins von mir, die 2 Kindern haben und deutlich älter schon sind. Mit der fröhlichen Natur der Leute wird einem beim besuchen der Leute nicht so schnell langweilig wie in Deutschland.
Und dann waren wir noch eine Woche im "Urlaub" dort, also wir wollten wegfahren. In den drei Jahren wo wir jetzt in Deutschland wohnen sind wir am Wochenende oft in eine Stadt auch über die Grenze gern ins Ausland gefahren zum Wochenendurlaub im Zug oder Fernbus, oder eben ein paar Wochen nach Italien oder Spanien. Als Kind war meine Frau oft bei ihrem Vater in Kolumbien mit im Auto zu seinen Viehversteigerungen - der Vater war 20 Jahre Viehhändler und Schlachter, dabei ist sie öfter mal nach Medellin oder in den Llano gekommen, aber eben zum Viehmarkt. Jetzt meint sie kennt sie Europa besser als Kolumbien. Urlaubskultur gab es in der Familie nicht. Die Schwester meiner Frau hat das jetzt die letzten 4 Jahre öfter gemacht, mit Auto oder Motorrad iwo was anschauen fahren. Der Bruder meiner Frau kennt nur Arbeit und keinen Urlaub, ist aber auch selbstständig und hat eine Tochter, die Schwester ist im Büro angestellt, was durch Pandemie jetzt alles im Homeoffice ist und die 3-4 Stunden TransMilenio und die Transportkosten spart.
Und da gings dann los. Die Eltern haben Zeit, also wollen sie mit. Ok, wir wollten im Bus fahren, wir buchen euch die Tickets - was BUS?! Ne, da steigen wir nicht ein, wir fahren Taxi! Na super dacht ich mir, die Türen sehr empfindlich, die Gurte kaputt, und Hinterräder klappern, Sitzbank sehr ungepolstert - wir sind auch andere Taxis in Bogota gefahren, sah da nicht immer besser aus. Na gut. Dann gehts aber um 12 los, oder? Wir wollten nach Ibague eine Freundin besuchen. Im Bus hätte das 4h gedauert laut plan, aber dafür mit Klo, klimatisiert und nem guten Fahrzeug.
Um 11 Uhr fängt dann der Vater an die Hinterräder vom Taxi abzuschrauben und sagt, das reparier ich noch, dann gehts los. Fängt ja super an. Um 13 Uhr mein ich, lass lieber Bus nehmen, ob das Taxi heute wieder fahren kann. Und puh, mit einem Kolumbianer diskutieren der sich einen Plan gefasst hat. Naja, ich habs nicht hinbekommen das wir doch den Bus nehmen. Für den Familienfrieden bin ich dann im Taxi mit, war aber genervt, dass wir dann um 15 Uhr erst los sind und erstmal 2 Stunden im Stau standen.
Sind dann in 2 Tagen mit halt in Fusa, Melgar da Übernachtung, Giradot, El Spinal langsam vorrangekommen. Landschaftlich seht schön alles. Hat schon seinen Charme mit Auto unterwegs zu sein. Mein Arsch ist nur immer wieder eingeschlafen, schimmer als im Flugzeug...
Aber da ist was ich wieder nicht verstehen kann, oder es kulturelle Unterschiede gibt. Mein Reflex ist dann: Ist schön hier, lass mal spatzieren gehen, das hier etwas kennen lernen! Meine Schwiegereltern dann so, Wie, ist doch ein Dorf, wir haben doch schon Selfie auf dem Markplatz gemacht, was soll man den hier noch sehen? Dadurch saßen wir dann 5h im Auto und haben 2h Selfies gemach und gegessen - immer da wo die meisten Trucks stehen, denn sei wohl das gute Essen. Empfand ich als etwas anstrengend so zu reisen. Mir tat auch der Papa leid, das er immer fahren musste, deswegen mach ich wiederum gerne Urlaub im Nahverkehr, da muss keiner Fahrer sein, und man weiß wo man später ankommt - naja, dafür sieht man dann gar nichts von den kleinen Dörfern auf dem Weg.
Ibague war auch sehr schön. Wir konnten in der Mietwohnung der Freundin schlafen. Vor ihrer Haustür gab es einen Fluss, Avocado- und Bananenbäume mitten in ner Großstadt. Fand ich voll geil.
Auf dem Rückweg war dann die Frage ob wir wieder 2-3 Dörfer besuchen, aber ich war schon etwas genervt von im Taxi sitzen und Selfies machen und meinte lass lieber direkt nach Bogota. Um Melgar standen wir dann im Stau und haben vier Eis von der Straße gekauft. Uff, ein Riesenfehler, 10 Minuten später rummelt uns allen der Bauch. Vierzig Minuten drückt es uns allen bis wir zum nächsten Truckerstop kommen. Wir rennen alle auf Klo, kein Papier da, ich sprinte zur Kellnerin und lass uns eine Hand voll Servietten geben. Nie wieder Eis aus dem schlecht gekühltem Bauchladen - war lecker, aber das vergess ich nicht so schnell
Sonst hatten wir noch einen Tag wieder im Auto auch mit Eltern und diesmal noch mit Schwester und Bruder nach Villavicencio.
Auf jedenfall wieder schön, etwas mehr von Kolumbien gesehen, den Rest vom Winter etwas angenehmer verbracht.
Eigentlich wollten wir eine Wohnung kaufen, das ist bei alldem Besuchen vom Tisch gefallen.
Im Barrio haben dann die Leute meine Schwiegermama gefragt, wo der Typ mit dem Stoffbeutel jetzt ist, hab ich meien Eindrücke bekommen und auch gelassen
Diesen März wollen wir auch wieder fahren, informieren uns gerade für die Tickets.
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